001 - Ein Fremder klopft an deine Tür by Håkan Nesser

001 - Ein Fremder klopft an deine Tür by Håkan Nesser

Autor:Håkan Nesser [Nesser, Håkan]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Thriller/Krimi
Herausgeber: btb Verlag
veröffentlicht: 2023-10-04T00:00:00+00:00


Die Waffe ist ein altes Jagdgewehr. Es heißt Beringer 67B und war Teil des Inventars. Irgendwann hat er probehalber zweimal damit geschossen, aber niemals gejagt oder etwas getötet. Es wird mit zwei Patronen geladen; er hat zwei volle Schachteln, aber das könnte trotzdem kritisch werden. Er möchte in keine Situation geraten, in der er nachladen muss. Zwei Zielscheiben, zwei Schüsse, so sieht die Gleichung aus.

Er ist kein schlechter Schütze, gewann sogar eine Medaille, als er in seiner Jugend oben in Karlitze seinen Militärdienst ableistete. Aber das ist lange her, und im Laufe der Woche, bevor die Zeit reif ist, um zur Tat zu schreiten, übt er jeden Tag. Geht mit seinem Gewehr in den Wald und schießt gezielt auf Steine und Baumstämme. Alles zwischen zehn und zwanzig Meter weit entfernt, er geht davon aus, dass diese Distanz am wahrscheinlichsten ist. Geht außerdem davon aus, dass Zielscheibe Nummer zwei schwieriger sein wird, weil die Erkenntnis, dass Nummer eins gefallen ist, eingesickert sein muss. Ganz unabhängig von der Lage.

Von Zeit zu Zeit erfassen ihn Zweifel. Sie kommen wie Diebe in der Nacht, bereiten ihm aber keine Probleme. Keine anhaltenden. Das Leben würde ihm aus den Händen gerissen werden, wenn er es jetzt unterließe zu handeln. Zweifel wohnen in den Herzen von Narren, diese simple Wahrheit bringt ihn jedes Mal von Neuem auf Kurs.

Eine andere Sorge gilt ihr. Er spricht mit den Islandpferden über sie, vor allem mit Schwarz, dem klügeren der beiden. Tief in seinem Auge, wie auf dem Grund eines Brunnens, liegt die Antwort. Ohne dass die Frage gestellt worden ist, liegt sie dort auf die gleiche Weise wie das umgekehrte Déjà-vu. Er empfindet eine gewisse Befriedigung, als er dieses Verhältnis versteht, und Schwarz bestätigt mit einem höflichen Kopfnicken. Er singt ein altes, estnisches Wiegenlied für die beiden Pferde, es sind Worte, deren Bedeutung er nicht kennt, aber vielleicht seine Zuhörer. Er hat es auch früher schon gesungen, steht mit dem Rücken zu ihnen, während sie ihre Köpfe auf seinen Schultern ruhen lassen, Braun zur Linken, Schwarz zur Rechten. Immer auf die gleiche Art, und sie atmen in einem Rhythmus, der aus den fischreichen Gewässern stammt, von denen die Vulkaninsel umgeben ist, auf der sie einst geboren wurden. Wenn er die Augen schließt, kann er diesen Zusammenhang ganz deutlich sehen, und seine Sorge um sie legt sich.



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